Young Pilots Austria berichtete bereits in den letzten zwei Wochen über die umstrittene Boeing 737 MAX-Serie [siehe YPA 737MAX Artikel], welche auch fürs Erste am Boden bleiben wird. Grund dafür sind zwei Abstürze der Boeing 737MAX 8 in Indonesien und Äthiopien, welche laut Behörden aufgrund des Fehlerhaften MCAS Systems des noch ziemlich neuen Flugzeuges zustande gekommen sind. Nun steht allerdings nicht nur Boeing im Kreuzfeuer, sondern auch die Luftfahrtbehörden FAA und EASA.

Washington, USA. Nachdem bereits im Oktober letzten Jahres ein Flugzeug des Typs Boeing 737 MAX 8 verunglückt war, stand schon damals das verursachende System MCAS, kurz für Maneuvering Characteristics Augmentation System im Fokus der Öffentlichkeit. Experten äußerten sich zu diesem Zeitpunkt schon kritisch, allerdings argumentierte Boeing mit der Sicherheit des Flugzeuges.

Boeing als Nachzügler

Bereits am 9. April 1967 hob die erste Boeing 737-100 ab und wurde knapp ein Jahr später zum ersten Mal an die Deutsche Lufthansa ausgeliefert. 50 Jahre und verschiedenste Veränderungsreihen später wurde am 17. Mai 2017 das erste Flugzeug der Boeing 737 MAX-Reihe an Lion Air ausgeliefert. Den Entschluss eine neue Generation des 737 Modells zu bauen fasste Boeing, aufgrund einer Massenbestellung des treuen Boeing-Kunden American Airlines. Die US-Amerikanische Fluggesellschaft hatte zuvor 260 Flugzeuge des dazumal sich in der Lizenzierungsphase befindlichen Airbus A320 NEO, bestellt. Daraufhin war Boeing, welche sich zu dem Zeitpunkt noch Gedanken machte, wie man den angekündigten Airbus Flieger kontern könne, gezwungen sich zu entscheiden, ob man ein ganz neues Flugzeug entwickeln, oder wie der Rivale Airbus, ein altes Modell aufbessern wolle. American Airlines zögerte nicht lange und teilte mit, dass wenn Boeing das Nachfolgemodell bestätigte, man ebenfalls 100 Stück der neuen Serie kaufen würde.

Der Flugzeughersteller unter Zeitdruck

Nachdem das Konkurrenzmodell von Airbus, der A320 NEO, einen erheblichen Zeitvorsprung hatte, entschied man sich schlussendlich für den Bau der Boeing 737 MAX, welcher lediglich einige neue Systeme, sowie Änderungen der Winglets, aber vor allem neue Triebwerke haben soll, welche 4% weniger Treibstoff als das Vorgängermodell verbrauchen soll. Im Januar 2016 war es dann soweit, die erste Boeing 737 MAX erhob sich in die Lüfte und gab den Startschuss für das darauf folgende Lizenzierungs- und Testprogramms des Flugzeuges.

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Boeing macht druck bei den Behörden

Boeing startete mit 4 Flugzeugen in die Testphase, mit dem Gedanken diese so schnell wie möglich hinter sich zu bringen, da das Konkurrenzmodell von Airbus bereits seit einigen Monaten im Aktiven betrieb war und noch über 1000 Flugzeuge des A320 NEO bestellt waren. Nach dem Abschluss der Testphase folgten die Lizenzierungen der Luftfahrbehörden FAA und EASA. Aufgrund des ohnehin schon verspäteten Modells, wurden von Seiten des Flugzeugherstellers viele Veränderungen klein gehalten um nur das nötigste des Lizenzierungsprogramms durchlaufen zu müssen.

unzureichende Tests und Lizenzverlust

Aus heutiger Sicht ist klar, dass das Lizenzierungsprogramm unzureichend war und genau das wird den Luftfahrtbehörden auch vorgeworfen. Als Reaktion darauf steht die Entziehung der Lizenz des 737 MAX-Modells im Raum, was bedeuten würde, dass die Boeing 737 MAX so lange nicht abheben dürfte, bis eine neue Lizenz ausgestellt wird und das kann dauern. Anlässlich der Vorwürfe gegen die FAA ermittelt ausgehend von des US-Amerikanischen Verkehrsministeriums das FBI.

Das MCAS System

Aufgrund der weiter nach vorne versetzen Triebwerke der MAX-Version, wird dem Piloten bei einem hohen Anstellwinkel die Kontrolle über die Fluglage erschwert, wodurch ein Strömungsabriss wahrscheinlicher wird. Aufgrund dessen entwickelte Boeing für die Boeing 737 MAX-Reihe das Maneuvering Characteristics Augmentation System ein, welches bei kritischem Situationen durch Trimmung den Anstellwinkel reduzieren soll. Laut Piloten welche von der Boeing 737NG-Reihe auf die Nachfolgeserie MAX umgeschult wurden, wird das System in den Handbüchern nicht erwähnt. Experten werfen dem Flugzeughersteller Boeing vor, unter anderem das MCAS System bei Umschulungen verschwiegen habe, um die neuen Flugzeuge schneller in die Luft zu bekommen.

Warum ein Softwareupdate die MAX nicht rettet

Erst nachdem zwei Maschinen wegen des fehlerhaften Systems verunglücken mussten, reagierte Boeing und kündigte ein Softwareupdate des MCAS Systems an. Bei beiden Vorfällen stellen falsche Angaben des sogenannten Angle of Attack Sensor, welcher den Anstellwinkel misst, den Single Point of Failure. Vom Single Point of Failure spricht man, wenn der Ausfall eines technischen Systems, den Ausfall des kompletten Systems verursacht. Nicht nur, dass das den Richtlinien der Federal Aviation Administration widerspricht, es widerspricht auch den Grundsätzen der Modernen Luftfahrt, denn das MCAS ist kein redundantes System. Es ist lediglich an einem Flugcomputer und somit auch nur an einem Angle of Attack Sensor angebunden. Daher handelt es sich nicht ausschließlich um ein Softwareproblem, sondern ebenso um ein Hardwareproblem. Ob die Boeing 737 MAX mit so einem gravierenden Konstruktionsfehler überlebt bleibt fraglich.

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Über YPA ‚My 2 Cent‘-Artikel

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